Vermarktung von Locations – was genau ist damit gemeint? In der heutigen Zeit gibt es zahlreiche Apps, Bücher und Digitale Fotokarten, in denen Fotolocations preisgegeben werden. Doch wozu führt das? Ist das gut für die Landschaft & Natur? Was macht das mit uns Fotografen? All diese Fragen möchte ich in diesem Blog aus meiner Sicht beantworten. Ich beziehe mich ausschließlich auf das Medium, auf dem die Locations veröffentlicht werden und möchte keinen Autor, App-Entwickler oder Fotografen persönlich angreifen.

Vermarktung von Fotolocations

Seit 2015 beschäftige ich mich mit der Landschaftsfotografie und besonders ein “Geheimis” wurde oft gehütet. Die Fotolocations sind das Heiligtum der Landschaftsfotografen und wurde vor einigen Jahren nicht einfach so der breiten Öffentlichkeit preisgegeben. Warum hat sich dies geändert?

WIr alle kennen diese Fotospots, die sich scheinbar über Nacht zu Influencer-Hotspots entwickelt haben und plötzlich Massen von Menschen anziehen. Viele Fotografen versuchen, das eine Foto zu kopieren, das den Spot berühmt gemacht hat – obwohl es schon tausendmal zuvor fotografiert wurde. Das beste Beispiel ist in Südtirol der Pragser Wildsee. Besonders im Sommer und Herbst drängen sich die Leute auf den Stegen herum, um genau das eine Foto mit dem Bergsee und den Booten zu fotografieren.

Immer mehr Menschen strömen an diese Orte und verursachen meist unbewusst hohen Schäden an der Natur. Besonders in den letzten 2-3 Jahren kamen immer mehr dieser Hotspots dazu und die Natur hat Schwierigkeiten, mit der steigenden Besucherzahl fertig zu werden und sich zu regenerieren.

Digitale Fotoscouts und Bücher

Von Mitte 2020 bis Ende 2021 verkaufte ich verschiedenen digitale Fotoscouts mit zahlreichen Fotospots von Island, dem Pfälzerwald sowie in den Alpen. Deshalb möchte ich mich nicht herausnehem und sehe mich auch als ein Teilverursacher der aktuellen Situation. Die Idee entstand während des ersten Lockdowns und wurde vor wenigen Wochen eingestellt, da ich nicht mit solch schwerwiegenden Auswirkungen gerechnet habe.

Besonders im meiner Heimat, dem Pfälzerwald, ist ein extremer Anstieg von Fototourismus seit 2021 zu spüren. Der Foto-Toursimus war auch vorher schon da, doch nicht in diesem Ausmaß. An vielen Felsen liegt von Woche zu Woche mehr Müll und ein entspanntes fotografieren ist häufig nicht mehr möglich. Zusätzlich geht man bewusst das Risiko ein, dass aus bisher unbekannten Plätzen zu Hotsposts für Besucher und Fotografen werden. Die Eigendynamik lässt sich im vorhinein nicht bestimmen.

In einem bekannten Fotoguide stand folgendes als Empfehlung für einen Spot in Berchtesgarden: „Dabei können Sie ein Stück weit die Böschung hochsteigen,…“. Als ich im Oktober 2021 vor Ort war, sagte mir ein Anwohner, dass sie nicht besonders erfreut darüber sind und immer wieder Fotografen – trotz eindeutiger Beschilderung des Verbots – das Privatgrundstück betreten. 

Ehrlicherweise möchte ich mich nicht herausnehem, auch ich habe schon ein verbotenes Grundstück betreten. Doch solch eine “Anweisung” in ein Buch zu schreiben ist nicht akzeptabel. Leider werden solche Vorfälle nicht weniger und häufen sich immer mehr.

Rundum-Paket als App – In den vergangenen Jahren wurden immer mehr Apps mit Fotolocations veröffentlicht. Besonders Anfängern wird damit direkt eine Anleitung geboten, um den Spot zu den günstigsten Bedingungen / Blickwinkel abzulichten. GPS-Koordinaten und Einstellungen der Kamera sind inklusive. Eine App zeigt zusätzlich noch das beste Wetter an. Ist das noch die Kunst der Landschaftsfotografie?

Aber allein ein Buch oder digitalen Locationguide dafür verantwortlich zu machen, dass Natur zerstört oder Locations überfüllt sind, greift mir persönlich jedoch zu kurz. Die digitalen Fotoscouts, Bücher und Apps sind nicht alleine dafür verantwortlich, tragen jedoch einen großen Teil dazu bei. Aus diesem Grund entschied ich mich, in Zukunft keine Locations mehr in Fotoguides (Bücher, App, etc.) zu veröffentlichen.

Workshopgruppen

In verschiednene Diskussionen auf Facebook und Instagram ist immer wieder erstaunlich, wer welchen Standpunkt einnimmt. Personen die Workshops geben verurteilen die Fotoguides (Bücher, Apps, etc.) als Seuche und Autoren meinen, die Workshopgruppen sind an der Zerstörung schuld. Offenbar sehen viele die Gegenseite als finanzielle Bedrohung. Meiner Meinung nach nützen die Schuldzuweisungen nichts und tragen nicht zur Verbesserung der Situation bei.

Meine Workshops finden meistens mit max. 6 Personen an den verschiedensten Locations statt. Hierbei achte ich darauf, dass der Workshop an unbedenklichen Orten stattfindet und die Teilnehmer nicht quer durch den Wald laufen. Die Vermittlung des richtigen Verhalten in der Natur sollte immer Bestandteil eines Workshops sein.

Umwelt: Workshops vs. Fotoguides

Welche Auswirkungen haben die Workshopgruppen und Fotoguides auf die Natur? Diese Frage lässt sich nicht so leicht beantworten, da keine Statistik geführt ist, welcher Fotograf wodurch eine Location besucht.

Die Reichweite der Medien ist unterschiedlich. Eine App kann binnend weniger Sekunden installiert werden und eine fülle an Locations ist direkt einsehbar. Ähnlich verhält sich dies mit den digitalen Locationscouts via Google Maps, die auch ich eine zeitlang verkauft habe. Um an Fotospots eines Buches zu gelangen, muss dies erst im Buchladen oder online gekauft werden. Die schnelle Verfügbarkeit spielt meiner Meinung nach eine große Rolle.

Workshopgruppen sind meist mit erfahrenen Fotografen unterwegs, die die Location und Umgebung gut kennen. Ob eine Workshopgruppe (5-6 Personen) oder einzelene Fotografen (5-10 über den Monat verteilt) für die Natur verträglicher sind, kann und möchte ich nicht beurteilen. Jeder Besucher sollte sich an die Beschilderung halten. Bei Workshopgruppen ist es die Pflicht des Workshopleiters, die Teilnehmer über Besonderheiten der Location im Bezug auf die Natur aufzuklären.

Philosophie der Landschaftsfotografie

Wer sind Landschaftsfotografen? Sind das Leute, die nur einen Spots nach dem anderen Besuchen und jedes Foto nach gleichem Schema bearbeiten damit es möglichichst viele Likes auf Instagram erhält? Diese Meschen sind vieles, aber keine Landschaftsfotografen im klassischen Sinne. 

Landschaften fotografieren ist nicht immer nur schnell den Auslöser drücken. Hinter jedem einzelnen Foto steckt meistens viel Planung und Arbeit. Ein Landschaftsfotograf sollte sich das Foto durch Planung, dem Location-Scouting und dem Fotografieren vor Ort erarbeiten. Ein Landschaftsfoto lebt von der Geschichte. All das ist die Quintessenz der Landschaftsfotografie. Sollte diese in Zukunft durch Apps und Locationguides ersetzt werden?

Persönlich ist es mir wichtig, mich von anderen Fotografen sowie deren Bildern zu unterscheiden und die eigene Kreativität zu nutzen. Ein kleines Zitat von Theodor Fontane: “Wer aufhört, Fehler zu machen, lernt nichts mehr dazu”. So ist das auch in der Landschaftsfotografie. Ein verpasster Sonnenaufgang, die falsche Brennweite dabei oder die Lichtstimmung ist nicht wie gewollt – all diese Fehlschläge gehören dazu. Doch wenn nach dem 2. oder 3. Versuch alles passt freut man sich umso mehr.

In Zeiten von Social Media lassen sich viele Locations nicht mehr verheimlichen und mit etwas Erfahrung sind viele Fotospots binnen weniger Minuten lokalisiert. Am Ende des Tages sollte jeder Fotograf überdenken, ob man das Foto mit einer Ortsmarkierung versehen soll oder nicht. Im Zweifel nicht direkt den Fotospot, sondern nur die Region markieren – schießlich lässt sich die Eigendynamik der Auswirkungen nicht im vorhinein bestimmen.

2 Meinungen zu “Vermarktung von Fotolocations – Meine Meinung

  1. Alexander Ukraden sagt:

    Hi Florian, sehr gut geschrieben und auf den Punkt gebracht. Ich selbst habe auch lange überlegt, ob ich mir die “wetter/location app” installieren soll oder nicht, da ich ebenfalls zwigespalten war ob das gut für die Natur ist oder nicht. Ich hab sie mittlerweile, um zu sehen ob das was ich mir klassisch über die Wetterapp und maps ermittelt hab, auch passt. Wobei auch immer noch ein bisschen Glück dazu gehört.
    Zu den Spots an sich, gehe ich nach der Devise, dass ich den Spot so verlasse, wie ich ihn vorgefunden habe. Wenn jeder so vorgehen würde wäre einiges einfacher. Wenn man aber sieht, dass teilweise Äste von Bäumen abgeschnitten werden, weil sie im Weg hängen, anstatt die Position so zu wählen dass der Ast nicht stört, handhabt das nicht jeder so. Aber solche Leute gibt es immer wieder. Ob das durch Locationguides oder Apps oder Workshops schlimmer mehr würde, kann ich nicht sagen.
    Eine Veröffentlichung von Spots in sozialen Medien vermeide ich grundsätzlich auch. Dies sollte jeder so handhaben. Wenn jemand per PN höflich nachfragt, bekommt er gerne eine Auskunft zu den Spots, aber diese würde niemals im Post veröffentlicht.
    Wer sich in der Foto community respektvoll bewegt, wird automatisch Kontakte knüpfen und dadurch die Spots kennenlernen, und zusammen mit anderen besuchen.
    Ein gutes Miteinander in Einklang mit der Natur führt dazu, dass man noch lange an dem Hobby Spaß hat.
    Gruß Alex

  2. Steffi sagt:

    Hallo Florian,
    durch Zufall bin ich auf Deiner Seite und hier im Blog gelandet und kann nur sagen: DANKE! Vor allem für Deine klaren Worte, aber auch für die Selbsterkenntnis!
    Ich verbringe seit etwas mehr als einem Jahrzehnt einen Teil meiner Urlaube auf Kreta. Und dort verhält es sich ganz genau so, wie Du es hier beschrieben hast: Spots, die vorher wirklich kaum einer kannte und die entsprechend gut geschützt waren, werden nun im wahrsten Sinne des Wortes von Horden von Touristen überfallen, weil jemand auf Google-Maps ein Foto eingestellt und das Ganze als “Geheimtipp-Fotospot” markiert hat. Leider ist das der Natur dort nicht sehr zuträglich: Neben der radikal zerstörten Vegetation (ursprüngliche Ziegenpfade, die mittlerweile einer vierspurigen Autobahn gleichen) und dem Müll, der sich plötzlich in all den Wasserläufen wiederfindet, hat es unter anderem auch dazu geführt, dass eine komplette Geierpopulation sich zu einem Um- oder eher Rückzug entschieden hat, weil die Touris über Absperrungen geklettert und zwischen den Horsten (Nestern) herumgedappt sind, um einen Schnappschuss mit Geier für Insta zu kriegen. -.-

    Ich mag das Motto “take nothing but your pictures and leave nothing but your footprints”. Denn nur dann ist es möglich, dass diese Orte auch in 10, 20 oder 30 Jahren noch so aussehen können, wie heute.

    Vielen Dank für Deine klare Haltung und auch die Konsequenzen, die Du gezogen hast!
    Viele Grüße
    Steffi

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